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Zur Verpflichtung eines Rentenversicherungsträgers, nach Gesetzesänderungen seine Versicherten zu informieren.

Datum: 08.02.2017

Kurzbeschreibung:    



Die im Jahr 1950 geborene Klägerin macht (unter anderem) eine frühere Rentengewährung geltend und stützt ihren Anspruch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Sie hatte im Jahr 2014 eine Rentenauskunft erhalten und sich im April des Jahres zwecks Beratung an die Rentenversicherung gewandt, die sie nicht auf die zum 01.07.2014 mit Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) eingeführte abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte bei Erfüllung einer Wartezeit von 45 Jahren hinwies. Auf einen im Mai 2015 gestellten Rentenantrag der Klägerin gewährte die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 01.05.2015. Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, die Voraussetzungen für die beantragte Rente seien bereits seit dem 01.07.2014 erfüllt. Bei der Beratung im April 2014 sei sie auf die anstehende Gesetzesänderung nicht hingewiesen worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Rente könne, wenn sie mehr als drei Monate nach dem Leistungsfall beantragt werde, nach § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI erst ab dem Beginn desjenigen Monats gezahlt werden, in welchem der Antrag gestellt worden sei. Eine fehlerhafte Beratung oder ein damit einhergehender sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme nicht in Betracht, da der Beratungstermin im April 2014 vor der zweiten und dritten Lesung des Gesetzesentwurfs im Bundestag erfolgt sei.

Die 2. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe hat der Klägerin (unter anderem) die Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab dem 01.07.2014 zugesprochen. Die beklagte Rentenversicherung sei nach § 115 Abs. 6 SGB VI verpflichtet gewesen, die Klägerin anlasslos auf die Möglichkeit des Bezugs einer abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte hinzuweisen. Die Klägerin gehöre zu einer besonderen Gruppe von Personen, welche erst durch die - im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in den Gesetzesentwurf aufgenommene - Berücksichtigungsfähigkeit freiwilliger Beitragszeiten als Wartezeit in den Genuss einer entsprechenden Rente gekommen sei. Für die beklagte Rentenversicherung habe die Verpflichtung bestanden, alle hiervon betroffenen Personen innerhalb von drei Monaten mittels elektronischer Datenverarbeitung zu ermitteln und diese zu benachrichtigen, was zu einer rechtzeitigen Antragstellung geführt hätte. Dem Einwand der Beklagten, dass einem Rentenanspruch bei vorgezogener Renteninanspruchnahme die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen entgegenstehen könne, so dass sich nicht mit den Mitteln der elektronischen Datenverarbeitung bestimmen lasse, wer tatsächlich einen Rentenanspruch habe, sei nicht zu folgen, weil diese Auslegung der Vorschrift weitgehend den gesetzlichen Anwendungsbereich entziehen würde. (Urteil vom 08.02.2017 - S 2 R 3648/15)

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