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Streit um Gewährung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II

Datum: 14.11.2014

Kurzbeschreibung: 

Die Beteiligten stritten um die Gewährung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II im Rahmen einer privaten Pflegepflichtversicherung.

 

Dem 1927 geborenen und bei der Beklagten privat pflegeversicherten Kläger gewährt diese seit 2012 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I. Nachdem die Beklagte anlässlich eines vom Kläger 2012 gestellten Höherstufungsantrags im Rahmen des Antragsverfahrens zwei Gutachten der MEDICPROOF GmbH (Medicproof) einholte und beide ärztlichen Gutachter lediglich einen Grundpflegebedarf von unter 120 Minuten täglich feststellten, lehnte die Beklagte den Antrag ab.

 

Die gegen diese Ablehnung erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe jedoch ohne weitere Ermittlungen ab. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers sind zunächst unmittelbar der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossene Vertrag über die private Pflegeversicherung in Verbindung mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Versicherungs­vertragsgesetz (VVG) sind dabei Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder zur Höhe des Schadens grundsätzlich gebunden, wenn dies wie hier vertraglich vereinbart worden ist. Danach sind die Feststellungen des Sachverständigen nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen. Die Beweislast hierfür trägt vorliegend die klägerische Seite. Daraus ergibt sich dann auch eine Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle, denn für eine gerichtliche Sachverhaltsaufklärung zur Frage des Umfangs des Pflegebedarfs besteht unter anderem nur dann Veranlassung, wenn und soweit ein nach den vereinbarten Bestimmungen eingeholtes Gutachten offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Wertermittlungen und Schätzungen schon ihrer Natur nach mit Unklarheiten behaftet sind und die Möglichkeit eines gewissen Spielraums eröffnen. Deshalb wäre das Sachverständigengutachten von nur geringem Wert, wenn sein Ergebnis wegen jeder Unrichtigkeit in einem Einzelpunkt angegriffen werden könnte. Es sind dementsprechend nicht jegliche, sondern nur "offenbare" und "erhebliche" Diskrepanzen von Bedeutung. Mit diesen Anforderungen soll die Anfechtungsmöglichkeit auf die wenigen Fälle "ganz offensichtlichen Unrechts" beschränkt, soll Abhilfe nur bei "offensichtlichen Fehlentscheidungen" ermöglicht werden. In prozessualer Hinsicht bewirkt die Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens insbesondere, dass das Gericht die durch den Sachverständigen getroffenen Feststellungen grundsätzlich zu übernehmen hat und im Umfang dieser Feststellungen dem Gericht prinzipiell Beweiserhebung und Beweiswürdigung entzogen sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil im Sozialgerichtsprozess ansonsten das Amtsermittlungsprinzip gilt. Denn der Umfang der Amtsermittlung richtet sich nach den materiell-rechtlichen Vorgaben. Dies ist hier § 84 VVG, dem sich die Beteiligten vertraglich unterworfen haben. Sie haben durch den Abschluss des privaten Pflegeversicherungsvertrags mithin die Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze vereinbart (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.05.2012, L 4 P 872/10). Unter Berücksichtigung dessen war das Ergebnis der von der Beklagten veranlassten Medicproof-Gutachten verbindlich, da insoweit offenbare Unrichtigkeiten, die auch noch erheblich sind, nicht ersichtlich waren und die Gutachten sich noch im Rahmen der ihnen von Gesetzes wegen eingeräumten Einschätzungsspielräume bewegten. (Urteil vom 14.11.2014, Az. S 10 P 3239/13)

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