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Ein Hilfebedürftiger hat keinen Anspruch auf sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Betriebs- und Unterhaltskosten für ein Kfz, wenn er nicht wegen der Behinderung zum Zwecke der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft regelmäßig auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist. Regelmäßig bedeutet nicht nur gelegentlich und vereinzelt, sondern orientiert sich an der Nutzung für die Zwecke der Teilhabe am Arbeitsleben (mindestens 22 notwendige Fahrten monatlich).

Datum: 11.10.2012

Kurzbeschreibung: 

Der 72jährige pflegebedürftige Kläger - Pflegestufe 1, Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung -, der laufende Leistungen der Sozialhilfe bezieht, beantragte beim Landkreis als Sozialhilfeträger, die ihm anfallenden Betriebs- und Unterhaltskosten für sein Kfz aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen. Er benötige das Kfz für Arzt- und Therapiebesuche, für Einkäufe in Apotheken, Lebensmittelmärkte und für den Besuch von Freunden und kulturellen Veranstaltungen. Er sei auf sein Auto angewiesen, um am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Der Sozialhilfeträger lehnte den Antrag ab. Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb erfolgslos.

 

Das Sozialgericht hat die gegen den Ablehnungsbescheid des Sozialhilfeträgers gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Nach dem Gesetz erhielten Personen, die durch eine Behinderung im Wesentlichen in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht seien, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht bestehe, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden könne. Für eine Kraftfahrzeugbeihilfe sei - analog zur Kfz-Beihilfe für die Eingliederung ins Arbeitsleben - die ständige Nutzung des Kfz zu Zwecken der Eingliederungshilfe erforderlich. Der Kläger sei nicht ständig zu Zwecken der Teilhabe an der Gesellschaft auf ein Auto angewiesen. Bei den geltend gemachten Fahrten zu Ärzten und Therapeuten handele es sich nämlich um Bedarfe aus dem Bereich der Teilhabe an Leistungen der medizinischen Rehabilitation und nicht um Teilhabeleistungen am Leben in der Gesellschaft. Der Kläger habe hinsichtlich seiner Fahrten zu ambulanten ärztlichen oder ärztlich verordneten Behandlungen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten durch seine gesetzliche Krankenversicherung nach Maßgabe der Krankentransportrichtlinien. Es sei am Kläger, diese vorrangigen und abschließenden Leistungen bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung geltend zu machen. Die vom Kläger weiter geltend gemachten Einkaufsfahrten unterfielen ebenfalls nicht dem Bedarf der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Auch hier sei der Kläger auf die Bedarfsdeckung der allgemeinen Sozialhilfe (Behindertenmehrbedarf) und das bezogene Pflegegeld zu verweisen. Die schließlich vom Kläger geltend gemachten Fahrten zu Verwandten, zu kulturellen oder kirchlichen Einrichtungen unterfielen zwar grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Eingliederungshilfe, sie erfolgten aber nicht regelmäßig und ständig im Sinne der Eingliederungshilfeverordnung. Zudem sei der Kläger aufgrund seiner schweren Behinderungen - aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) und B (Begleitung) - berechtigt, die öffentlichen Nahverkehrsmittel kostenfrei mit einer ebenfalls kostenfrei fahrenden Begleitperson zu nutzen. Dies trage dazu bei, seine Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben zu sichern. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der beklagte Landkreis einen Behindertenfahrdienst eingerichtet habe, der von behinderten Menschen mit den Merkzeichen „aG“ und „B“ auf einen jährlichen Höchstbetrag von 450,00 € gedeckelt kostenfrei genutzt werden könne.

Urteil vom 11. Oktober 2012, nicht rechtskräftig, S 4 SO 4776/11.

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